Friday, April 19, 2019

Werk ohne Autor (2018, Florian Henckel von Donnersmarck)

Donnersmarcks zweiter deutschsprachiger Spielfilm wurde mit großer Spannung erwartet. 13 Minuten standing ovation wurden nach der Erstaufführung gemeldet. Nach dem misslungenen Ausflug nach Hollywood kehrt Donnersmarck nun zur deutschen Geschichte zurück.
Nie wegsehen! Das sind die letzten Worte, die Tante Elisabeth dem jungen Kurt zuruft, bevor sie von den Nazis in die Psychiatrie verschleppt und dort schließlich "von ihrem Leiden erlöst wird". Kurt Banert ist als ein begabter Maler und sieht genau hin, zum Beispiel auf die Brüste seiner Tante, die er bereits auswendig nachmalen kann. Nach dem Krieg wird er zunächst Schildermaler, dann aber auf die Akademie geschickt. Dort ist der Sozialistische Realismus die einzige Richtung. Alles, was den Arbeitern dient, wird gemalt. Kurt hat allerdings eine selbständige Stimme. Er verliebt sich in Elisabeth, die frappant seiner ermordeten Tante ähnelt. Kurt weiß jedoch nicht, dass Elisabeths Vater Arzt bei der SS war und seine geliebte Tante in den Tod geschickt hat. Im dritten Akt haben Kurt, Elisabeth und ihre Eltern der DDR den Rücken gekehrt. Kurt findet endlich im kapitalistischen Realismus seine eigene Stimme.
Der Plot lehnt sich an das Leben Gerhard Richters an. Der "unwahrscheinliche Zufall", dass Elisabeths Vater den Tod der Tante zu verantworten ist ist ein nachweisbares biografisches Detail. Das Leben schreibt eben doch die besten Melodramen.
Schon beim kleinen Kurt wird eine erotische Obsession für seine Tante vermutet. Vieles wird mit dem männlichen Blick betrachtet. Immer wieder wieder findet Donnersmarck einen Vorwand, dass sich Elisabeth (Paula Beer - kompetent) ausziehen muss, aber ansonsten erfahren wir nicht so viel über ihr Leben, außer, dass sie zu Hause ist, wenn ihr Mann denn endlich aus dem Atelier zurückkehrt und dass sie sich dann im Bett umherwälzen. Was sie sonst noch an Gemeinsamkeiten haben, erfahren wir nicht.
3 Stunden für gut 30 Jahre deutsche Geschichte ist nicht viel. Zweimal erleben wir Geschichte im Zeitraffer. In einer Art Videoclip wird Dresden bombardiert, wird die Tante in die Gaskammer geführt und sterben ihre Brüder im Krieg. Und das wird auch noch mit süsslicher Händel-Musik unterlegt. Eigentlich müsste man einen Regisseur, der solche Montagen dem Publikum zumutet, verachten.
Dabei ist alles in diesem Film eigentlich groß gedacht. Die Wucht des Materials wälzt den überrollt den Zuschauer, sodass man erst im Rückblick merkt, wie wenig Substanz dieser Film eigentlich hat. Im Zentrum stehen Kurt (Tom Schilling - vom Drehbuch eher unterfordert) und sein diabolischer Schwiegervater (Sebastian Koch). Donnersmarck hat wohl seinem Plot nicht getraut, denn  zu oft ist die Handlung mit Musik zugekleistert.
Donnersmarck will ein komplexes Kunst- und Historiendrama vorlegen. Vor allem die Genese des Künstlers in Westdeutschland ist wenig überzeugend, jedenfalls so nicht nachvollziehbar.
Fazit: großes Kino, doch zu viel Schwachstellen. Mehr Hollywood als Arthouse.
5/10

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