Wednesday, February 28, 2018

Palermo oder Wolfsburg (Werner Schroeter, 1980)

Werner Schroeters beinah drei Stunden dauernder Film hat drei Akte und eine deutliche Absicht. Wenn man sie merkt, wird man verstimmt.
Der erste Akt spielt auf Sizilien. Das Dorf, in dem Nicola lebt, ist von schrulligen, aber liebenswerten Typen bevölkert. Sie singen innig, wenn auch ohne Talent, Arien von Bellini und Pacini. Ja, es herrscht Elend, aber es ist gewissermaßen eine malerische Armut. Ja, es gibt auch patriarchalische Strukturen, selbst Ausbeutung, doch alles wird lieblich vom Meer umspült und von der strahlenden Sonne des Südens bescheint. Nicola hat von Deutschland gehört und den Möglichkeiten, die sich den Tüchtigen dort bieten. Er trifft eine wichtige Entscheidung: er will sein Glück in Deutschland versuchen.
Im zweiten Akt trifft Nicola in Deutschland ein. Seine erste Begegnung mit einem Deutschen verläuft schroff. Ein Bahnbeamter weist ihn zurecht: "das Überschreiten" der Gleise sei verboten. Nicola versteht es nicht, er hat überhaupt Probleme, sich die deutsche deutsche Sprache anzueignen. Sein Kontakt ist mit einer Deutschen verheiratet, einem mannhaften Weib mit der Hoheit über die Wohnung. Nicola wird ein Sofa verwehrt. Auch dass der Verwandte ihm noch 20 Mark mitgibt, wird als nicht erforderliche Verschwendung angesehen. Bald trifft Nicola ein deutsches Mädchen und eine Gastwirtin aus seinem Heimatland. Die Italienerin hilft ihm, sich zurechtzufinden, das Mädchen benutzt ihn, um ihre Freunde aufzustacheln. Nicola, der naive Bube aus dem Süden, hält sie für seine Freundin, gibt in einem Brief in die Heimat an, sie sei seine Freundin. Die Taktik des Mädchens Brigitte ist erfolgreich. Nach einem Talentwettbewerb ersticht Nicola seine Nebenbuhler.
Der dritte Akt findet im Gericht statt. Der Prozess wird als sprachliche Parodie juristischer Sprachverwendung aufgezogen und hat manche surrealistische Komponenten. Anstatt Opfer wird von den "zukünftigen Toten" gesprochen. Das Opfer ist - scheint es - Nicola, der sich nicht bewusst ist, eine kriminelle Handlung begangen zu haben. In seinem Heimatland hat man eben immer ein Messer dabei. Heute würde man das Wort "multikulturell" in die Debatte werfen.
Schroeters Film gilt als Klassiker, ist aber bereits veraltet. Die Deutschen werden durchgehend als hochmütige Stinkstiefel mit rassistischen Anschauungen gezeigt. Differenzierungen finden nicht statt. Wenn man im dunklen Deutschland dann doch mal singt, dann den Schlager "Zwei kleine Italiener", der beinah zur rassistischen Hymne stilisiert wird.
Ich möchte gerne mehr deutsche Filme sehen, doch warum müssen sie entweder belanglos oder so entsetzlich langweilig sein.
4/10